Ein Stück Elmshorner Geschichte
Wie Leder aus der Fabrik Knecht & Söhne von Meppen ins Industriemuseum kam
Anfang des 20. Jahrhunderts war Elmshorn ein blühender Standort der Lederindustrie. 1910 beschäftigten 12 Lederfabriken gut 600 Arbeiter, von denen über 500 in Gewerkschaften organisiert waren. Sie erkämpften sich unter anhaltend schwierigen und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen vergleichsweise gute Löhne. Die Herstellung von Ober-, Unter- und Rossleder nahm damit einen wesentlichen Platz innerhalb der städtischen Arbeiterschaft ein und prägte mit großen Fabrikanlagen das Ortsbild. Daran erinnern heute im Wesentlichen nur noch die Knechtschen Hallen in Vormstegen, die zum Gebäudekomplex der Lederwerke Joh. Knecht & Söhne gehörten.
Lederwerke Joh. Knecht & Söhne
Dieses Unternehmen begründete der ursprünglich aus Schwaben stammende Johann Knecht 1873 in Klostersande. Fünf Jahre später übernahm er die Gerberei Sussmann in der Neuen Straße und erwarb 1904 auch die Lederfabrik von Ferdinand Wördemann in Vormstegen. Er verlegte seinen Hauptsitz hierhin und erweiterte seine Lederwerke zwischen Vormstegen, Schlossstraße und heutiger Berliner Straße sukzessive zum größten Elmshorner Betrieb mit mehreren hundert Arbeitern. Knecht setzte Ende der 1880er Jahre als erster Lederfabrikant im Ort eine Dampfmaschine ein und produzierte als einziger in Elmshorn sowohl Ober- als auch Unterleder. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs stieg die Produktivität der Knechtschen Lederwerke auf 5.500 Stück Unterleder, 2.000 Stück Rossleder und 1.500 Stück Oberleder pro Woche. Krisen in der Lederindustrie und Strukturwandel konnte die Firma in den folgenden Jahrzehnten zunächst überstehen, bis sie 1953 als eine der letzten Elmshorner Lederfabriken stillgelegt wurde.
Von Meppen ins Industriemuseum
Trotz der großen Bedeutung der Knechtschen Fabrik für die Elmshorner Geschichte sind im Bestand des Industriemuseums nur wenige entsprechende Objekte überliefert. Umso größer war daher die Freude über das hier präsentierte Objekt des Monats, das im vergangenen Jahr aus Meppen an das Museum gespendet wurde: ein Werbeschild aus Leder, das die eingetragene Schutzmarke „Astra Leder“ mit „erstklassiger Qualität“ aus der Produktion der Lederwerke Joh. Knecht & Söhne in Elmshorn anpreist. Der Vater des Spenders erhielt dieses bedruckte Lederstück von der Firma Knecht überreicht, als er 1924 ein Großhandelsgeschäft für Schuhmacher- und Sattlerbedarf eröffnete, und vererbte es schließlich seinem Sohn. Über eine Fernsehsendung im NDR wurde dieser 2015 auf das Industriemuseum aufmerksam und realisierte: Da befand sich ein Stück Elmshorner Geschichte in seinem Besitz in Meppen! Kurzerhand hielt er auf dem Weg in seinen jährlichen Sommerurlaub in Schleswig-Holstein in Elmshorn an und überreichte das Lederstück dem Industriemuseum als Spende. Dort fügt es sich als wichtiges Zeugnis in die Museumssammlung zur Elmshorner Geschichte – und insbesondere der Industriegeschichte – ein, die sich zu rund 95 % aus gespendeten Objekten zusammensetzt und eine wertvolle Fundgrube an Orts- und Objektgeschichten bildet. Bevor das Leder-Werbeschild aus Meppen seinen Weg auch in den Themenbereich zur Lederherstellung in der Dauerausstellung im Erdgeschoss des Industriemuseums finden kann, ist eine Restaurierung mit Sponsorengeldern vorgesehen.
Inventarnummer: 2015-0370
Datierung: 1924
Material: Leder (Sohlleder)
Maße: H 119 cm, B 60 cm
Hersteller: Lederwerke Knecht & Söhne, Elmshorn
Standort: Industriemuseum Elmshorn