Objekt des Monats Juli 2023 – Modell „Ewer Gloria“
von Carina Nolte
Datierung: 2012/13
Material: Holz, textiles Material, Kordel, Metall
Maße: 58 cm lang, 15 cm breit, 50 cm hoch
Modellbauer: Gerhard Bestmann
Herstellungsort: Elmshorn
Inventarnummer: 2022-0178
Die Entstehung des Modells
Das Modell des Ewers „Gloria“ wurde zwischen 2012 und 2013 von Gerhard Bestmann (1937-2020) in 100 Arbeitsstunden hergestellt. Das Holz stammt aus der Elmshorner Kremer-Werft, die auch das Originalschiff bauten. Der Hamburger Berufsfeuerwehrmann hat, nachdem er pensioniert wurde und in die Krückaustadt gezogen ist, 12 Jahre ehrenamtlich drei Mal in der Woche bei dem Projekt „Ewer Gloria“ mitgewirkt. Er war sieben Jahre stellvertretender Vorsitzender und ab 2007 Leiter der Museumswerft in Elmshorn. Als gelernte Klempner und Installateur nahm er selbst viele Reparaturen an dem Originalschiff vor und war 2005 auch Teil der „Gloria“-Crew, indem er dort als Koch die Gäste und Crew auf den Fahrten verköstigte.
Der Ewer als Schiffstyp
Ein Ewer ist ein Segelschiffstyp aus Friesland mit einem Plattboden, Segelschwertern an der Seite und ein bis zwei Masten. Dieser, bereits seit dem Mittelalter bekannte, Schiffstyp war im 19. Jahrhundert der am häufigsten eingesetzte Schiffstyp in Deutschland. Hauptsächlich wurden sie als Frachtschiffe in der Küsten- und Flussschiffahrt genutzt, da sie keinen Kiel hatten und somit auch bei Niedrigwasser gefahren werden konnten. Die übliche Lebensdauer eines Ewers betrug 30 Jahre, andere konnten aber auch bis zu 50 Jahre genutzt werden. Noch heute gibt es einige erhaltene Exemplare, die als Museumsschiffe genutzt werden, wie es auch bei der Gloria der Fall war.
Ein Schiff mit wechselvoller Geschichte
Das Originalschiff „Ewer Gloria“ wurde 1898 als Stahlschiff mit Holzboden auf der Kremer Werft in Elmshorn gebaut. Die Maße des kurzen Lühe-Ewer waren mit einer Länge von 15,48 Metern, einer Breite von 4,64 Metern und einem Tiefgang von 0,64 Metern an die engen Fahrwasser der Lühe angepasst. Diesem Zweck dient auch der als Klappklüver konstruierte Klüverbaum, der beim Wenden eingeklappt werden konnte. Der, hauptsächlich für den Transport von Getreide genutzte, Ewer repräsentiert die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts im Niederelberaum verbreitete Kleinschifffahrt.
In den 1920er Jahren konnte die Gloria der Konkurrenz von LKWs und der Eisenbahn nicht mehr standhalten und wurde 1926 verkauft. Nach mehreren Besitzerwechseln wurde die Gloria 1928 zu einer Motorschute ohne Mast und Takelage umgebaut, wobei die Pinnensteuerung durch ein Steuerrad ersetzt wurde. Im Zuge dieses Umbaus wurden die beiden Kajüten im Heck und im Vorschiff abgebaut, da die Gloria nur noch im Hafenverkehr eingesetzt wurde. 1955 wurde das Ankerspill ersetzt, da die alte drehbare Vorrichtung nicht mehr vorhanden war. Der nächste Umbau erfolgte 1978. Dabei wurde der morsche Holzboden, die hölzernen Teile des Laderaums und eine Schiebeluken-Konstruktion durch Stahl ersetzt. Die Steuerung wurde wieder auf die Pinnensteuerung umgestellt, indem das Steuerrad entfernt wurde. Trotz dieser Modernisierungen konnte sich das Schiff nicht gegen die großen Konkurrenten im Hamburger Hafen behaupten und wurde erneut verkauft. Das geplante Projekt, für den das Schiff vorgesehen war, wurde aber nie realisiert und das Schiff blieb ungenutzt im Hafen liegen. Ein Schiffsliebhaber erkannte den alten Ewer und rettete ihn vor der Verschrottung. Im Zuge der hohen Arbeitslosigkeit in den 1980er Jahren wurde das Projekt einer Museumswerft in Elmshorn ins Leben gerufen. Nach der Restaurierung der Rigmor von Glückstadt in den Jahren von 1999 bis 2001 wurde die Gloria das neue Projekt dieser Werft und aufwendig zu einem Traditionsschiff restauriert.
Seit 2004 kann jeder nach vorheriger Anmeldung an den Törns der Gloria von 01. Mai bis 01. Oktober teilnehmen, die zum Erhalt des Schiffes beitragen. 2007 wurden die Seitenschwerter nach alten Mustern neu angefertigt und der Ewer mit Sitzbänken, einer Kombüsenecke und drei Kojen für den Fahrgastverkehr umgerüstet. Bis 2020 lag die Kapazität bei 12 bis 25 Personen. Seit 2020 ist der Ewer nur noch im allgemeinen Sprachgebrauch ein Traditionsschiff, erfüllt aber nicht mehr die rechtlichen Voraussetzungen. Trotzdem nimmt das jetzige Sportboot immer noch maximal 9 Gäste gegen Spenden für das Schiff und Mithilfe an Bord auf.
Möchten Sie das Objekt des Monats persönlich in Augenschein nehmen? Das Schiffsmodell ist nach der Schenkung 2022 und der Fertigstellung der Vitrine nun Teil der Dauerausstellung im 1. OG des Industriemuseums Elmshorn und kann zu den Öffnungszeiten des Museums besichtigt werden.