Eisschrank
Draußen brennt die Sonne bis der Asphalt zu kochen beginnt, die Luft flirrt, der Schweiß strömt sturzbachartig – es ist Hochsommer und so mancher hitzeempfindlicher Geist beginnt ernsthaft darüber nachzudenken, ob er diese Nacht nicht doch einfach im Kühlschrank schläft. Doch auch der meistenteils eher milde und regnerische norddeutsche Sommer gibt Anlass zur Freude über eine eiskalte Limonade oder ein gut gekühltes Feierabendbier. Leider waren Kühlschränke lange Zeit lang wahre Umweltsünder mit ihrem hohem Stromverbrauch und der auf FCKW basierenden Kältetechnik. Deutlich stromsparender ist dagegen das Objekt des Monats August – der Eisschrank aus den 1920er Jahren kommt völlig ohne Elektrizität aus.
Der Form nach ähnelt der hölzerne Schrank einem modernen Kühlschrank. Hinter der zentimeterdicken Tür bietet sich ein fast gewohnter Blick. Auf drei verschiedenen Tableaus lassen sich die Lebensmittel lagern. Nur die Einlegeböden sind nicht aus Glas oder Kunststoff, sondern aus Holz. Im oberen Teil des Eisschranks befindet sich unter einer Klappe eine Zinkwanne die mit Eis befüllt wurde. Das Schmelzwasser sammelte sich in einer Rinne und lief durch eine Röhre in ein Sammelbecken in den unteren Teil des Kühlschrankes ab. Das Schmelzwasser musste regelmäßig unten durch einen kleinen Hahn abgelassen werden. Doch woher kam früher das Eis für den Eisschrank?
Noch bis in die 1950er Jahre hinein belieferte der Eismann Privathaushalte und Gastronomie mindestens einmal in der Woche mit dem sogenannten Stangeneis. Die bis zu 270 kg schweren Stangen bestanden entweder aus Natur- oder aus Kunsteis. Natureis wurde im Winter von zum Teil künstlich angelegten Seen und Teichen „geerntet“. Die mühsam aus der Eisdecke herausgesägten Blöcke wurden dann in großen Hallen bis in den Sommer hinein eingelagert. Doch diese Art der Eisproduktion hatte zwei große Nachteile. Zum einem war das Eis häufig verunreinigt und zum anderen hing die Eisernte vollkommen vom Wetter ab. Fiel der Winter zu mild aus konnte kein Eis eingelagert werden.
Ab 1876 war es dann möglich mit den von Dampfmaschinen angetriebenen Ammoniakkompressoren des Erfinders Carl von Linde künstlich Kälte und damit auch Eis zu produzieren. In den mit Dampfkraft betriebenen Kältemaschinen wurde Ammoniakgas unter hohem Druck verflüssigt. Das flüssige Ammoniak hatte eine Temperatur weit unter dem Gefrierpunkt von Wasser und wurde durch Kühlrippen geleitet, um Wasser zu Eis gefrieren zu lassen. Mit diesem Verfahren konnten aus Trinkwasser gleichmäßige Eisstangen oder –blöcke hergestellt werden, die allerdings deutlich teuerer als natürlich gewonnenes Eis waren.
Im Elmshorner Adressbuch von 1896 findet sich unter der Rubrik „Eis-Fabriken“ als einziger Eintrag die Export-Brauerei „Christian Engelbrecht & Söhne“ in der Reichenstraße 8. Wie kommt es nun, dass die Elmshorner Brauerei auch Eis herstellte? Bierbrauereien haben einen großen Bedarf an Eis bzw. Kälte, da Bier vor der Hefezugabe und dem damit eingeleiteten Gärprozess auf eine Temperatur zwischen 5 und 20 Grad heruntergekühlt werden muss. Dementsprechend konnten sich Groß- und Exportbrauereien erst ab 1876, nach dem Durchbruch der Kältetechnik von Carl von Linde entwickeln. Brauereien konnten also mit ihren Kältemaschinen, die für den Brauvorgang notwendig waren, natürlich auch Eis herstellen und dieses an Privathaushalte, Gaststätten und Kneipen verkaufen.
Basierend auf der Technik von Linde wurden in den 1920er Jahren schließlich auch die ersten Kühlschränke für Privathaushalte auf den Markt gebracht. Allerdings musste zunächst das ätzende und übelriechende Ammoniak durch andere Chemikalien ersetzt werden. In den USA setzte sich der Kühlschrank so rasant durch, dass 1937 schon in jedem zweiten amerikanischen Haushalt ein elektrischer Kühlschrank stand. In Deutschland verzögerte sich diese Entwicklung vor allem auch durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg. Erst in den 1950er Jahren wurde der stromlose Eisschrank endgültig durch den elektrischen Kühlschrank verdrängt. Der Eismann belieferte allerdings noch bis in die 1960er Jahre hinein Gastronomiebetriebe mit Stangeneis für die Kühlung von – natürlich – Bier…
Inventar-Nummer: 1999-0265
Datierung: 1920er Jahre
Maße: 119 x 59 x 56 cm
Material: Holz, Glas, Metall
Hersteller: Bing Bavaria