Scherenschleifkarren
„Mudder, komm gau mal rut, de Scherenschlieper is dor!“ hieß es noch in den 1960er Jahren. Der Scherenschleifer Hans Voss zog mit dem im Industriemuseum Elmshorn ausgestellten Karren durch die Straßen Elmshorns und die umliegenden Dörfer.
Bevor Scheren und Messer als Massenware günstig zu kaufen waren, ließen die Frauen diese immer wieder schleifen. Im Gegensatz zu heute wurde eine stumpfe Schere also nicht weggeworfen, sondern dem Scherenschleifer zum Schärfen gegeben.
Der Karren war mit einem Schwungrad zum Antrieb, einem Wasserkasten und einem kleinen Werkzeugfach ausgestattet. Die Scheren nahm der Scherenschleifer auseinander und schärfte sie dann nass auf dem weichen Sandstein. Den Stein drehte der Scherenschleifer per Fußantrieb. Dann erfolgte das Nachschleifen auf Schmirgelleder und abschließend schlug er die Niete wieder ein. Die Kunden gaben dem Scherenschleifer nicht nur Messer und Scheren in Arbeit, sondern auch Maschinenteile wie Schneiden von Mähbalken.
Hans Voss war das „Wandern“ mit dem Schleifkarren bereits „in die Wiege gelegt worden“: sein Urgroßvater gründete im Dezember 1872 die Schleiferei Voss in Elmshorn, die später erst der Vater und dann Hans Voss selbst übernahm.
1896 sind im Elmshorner Adressbuch noch zwei weitere Schleifereien erwähnt. Aus einer noch weiter zurückreichenden „Scherenschleifer-Dynastie“ stammte Daniel Petersen. Der Urvater dieser Generationenfolge wird bereits 1783 urkundlich als Scherenschleifer erwähnt.
Daniel Petersen wanderte über 40 Jahre lang als Scherenschleifer und Siebmacher durch Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Auf diesen Wanderungen „verbrauchte“ er 6 Schleifkarren!
Der Schleifstein des Karrens ist noch häufiger ersetzt worden, als Material diente für diesen Schleifstein um 1961 nicht mehr Sandstein, sondern ein Kunststein. Die im Industriemuseum ausgestellte Schleifkarre gehörte ursprünglich dem Scherenschleifer Daniel Petersen. Gebaut hat den Karren der Elmshorner Stellmacher Richard Gärtner (später Karosseriebau).
Daniel Petersen bestimmte schon zu seinen Lebzeiten, dass seine letzte Schleifkarre ins Museum kommen sollte und zwar ursprünglich ins Barmstedter Heimatmuseum, denn in Elmshorn gab es seinerzeit noch kein Museum. Nach seinem Ableben ging der Schleifkarren zunächst in den Besitz seines Sohnes Heinrich Petersen über. Von diesem erwarb Hans Voss den Karren, mit dem Versprechen sie später dem Elmshorner Museum zu schenken. Diese Auskünfte erhielt das Industriemuseum erst kürzlich von einer Nachfahrin von Daniel Petersen, zuvor verwies auf der Scherenschleifkarre ein Metallschild mit der Aufschrift „Hans Voss“ nur auf diesen Eigentümer des Karrens.
In einem Zeitungsartikel von 1927 wird das Scherenschleifer-Gewerbe als ein aussterbender Beruf angesehen „es ist ein Geschäft, das seinen Mann nicht mehr ernähren kann“, da zunehmend Messer und Scheren als billige Massenware industriell hergestellt werden – und auch keins der 13 Kinder von Daniel Petersen übernahm das Gewerbe des Vaters.
Scherenschleifer war ein „freier“ Beruf und galt als sonderbar. Die Ankunft eines Scherenschleifers mit seinem Karren und seinen Geschichten war ein Ereignis, das alle in der Straße oder im Dorf zusammenlaufen ließ.
Der Elmshorner Scherenschleifer Daniel Petersen war weit über die Grenzen Elmshorns bekannt und sogar in dem Schullesebuch „Jungs, holt fast!“ aus dem Jahre 1923 st er mit seinem Karren zu sehen. Anhand der Beschreibung über seine Arbeit als Scherenschleifer lernten die „Kinder der schleswig-holsteinischen Geest“ Lesen.
Leider ist das Lesebuch „Jungs, holt fast!“ nicht in der Schulbuchsammlung des Industriemuseums enthalten. Da es von dem Elmshorner Lehrer G. Worreschk bearbeitet worden ist, wäre die Spende dieses Lesebuches für die Museumssammlung eine großartige Bereicherung – nur falls noch ein Leser oder eine Leserin im Besitz einer Ausgabe ist.
Inventarnummer: A 0507
Baujahr: um 1920
Hersteller: Stellmacher Richard Gärtner