Die Pickelhaube – Ein Spitzenprodukt!
von Rayk Unger
Datierung: 1915
Material: Eisenblech, Leder
Maße: 25 cm hoch, 17 cm breit und 26 cm tief
Hersteller: unbekannt
Herstellungsort: unbekannt
Inventarnummer: 2023-0390
Die Pickelhaube
Die Pickelhaube – oder im korrekten Amtsdeutsch: „Helm mit Spitze“, gilt als das Symbol des deutschen bzw. preußischen Militarismus. Keine andere Kopfbedeckung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hat das Bild des „Deutschen“ so geprägt, wie die für lange Zeit bei Militär, Polizei und Feuerwehr eingesetzte Pickelhaube. Sogar in der Gebärdenspräche der Gehörlosen hat sich der Helm mit Spitze einen Platz gesichert: Der nach oben gerichtete, über der Stirn gehaltene Zeigefinger steht für „deutsch“ oder „Deutschland“. Auch in der Gegenwart sind die symbolträchtigen Lederhelme also immer noch präsent: Sammler zahlen oft vierstellige Summen für gut erhaltene Exemplare, und bereits im 1. Weltkrieg erfreuten sich die auffälligen Helme bei den gegnerischen Soldaten als Souvenirs großer Beliebtheit. Unser zum Objekt des Monats erkorene Helm stammt ebenfalls aus dem 1. Weltkrieg. Aber welche Eigenschaften zeichneten eine Pickelhaube neben der heutigen Symbolkraft im Kriegseinsatz aus?
Die Pickelhaube im Gefecht
Der „Helm mit Spitze“ wurde ab 1843 in der preußischen Armee eingeführt. Gefordert wurde für die Infanterietruppen ein Helm mit wenig Gewicht, der gleichzeitig Schutz vor Hiebwaffen wie Säbeln bieten sollte. Die Spitze unterstützte diese Funktion, konnte sie doch Säbelhiebe zur Seite ablenken und den Träger dadurch vor schweren Kopfverletzungen bewahren. Ein kleiner Vorderschirm für die Stirn hielt den Säbel vom Gesicht ab, und der größere Hinterschirm schützte den Nacken des Soldaten. Dafür sorgte auch die Messingschiene am hinteren Teil des Helms, der über der Ledernaht lag. Das Leder des Helmes war gehärtet und zudem lackiert, um nicht durch Regenwasser aufzuweichen.
Der Tragekomfort des „Helms mit Spitze“ war für damalige Verhältnisse hoch: Der Kinnriemen sorgte dafür, dass die Pickelhaube beim Laufen nicht vom Kopf fiel, und das geringe Gewicht schonte die Nackenmuskulatur. Sogar eine Lüftung war integriert: Im Pickel und darunter gibt es Belüftungslöcher, damit der Kopf auch bei hohen Temperaturen ausreichend kühle Luft abbekam.
Zwar erhielt die Pickelhaube bis zum 1. Weltkrieg noch einige Verbesserungen, den Anforderungen an einen industriell-modernisierten Krieg mit massivem Artillerie- und Maschinengewehreinsatz war sie jedoch nicht mehr gewachsen: Granatsplitter und Kugeln durchschlugen den Lederschutz leicht, die Messingbeschläge reflektierten das Sonnenlicht und trugen so genau wie die markante Spitze dazu bei, dass Pickelhaubenträger perfekte Ziele für feindliche Soldaten abgaben. 1916 wurde die Pickelhaube – zumindest beim Militär – durch den weniger auffälligen und auch gegen Granatsplitter schützenden Stahlhelm ersetzt. Der Stahlhelm ist ein anderes Thema – wir werfen nochmal einen etwas genaueren Blick auf unsere Pickelhaube.
Das Modell M15 im Detail
Unser Exponat ist ein Exemplar für Mannschaften der Modellreihe M15, die im Jahr 1915 eingeführt wurde, und in welche Erfahrungen des andauernden Krieges eingeflossen waren. So war beispielsweise die Spitze nun durch einen einfachen Bajonettverschluss abnehmbar – die Zielhilfe für feindliche Soldaten konnte also zumindest zeitweise entfernt werden. Auch wurde kein glänzendes Messing mehr für die Verschläge verwendet, sondern verzinktes, lackiertes Eisenblech in einem Grauton, was deutlich weniger auffällig war.
Immer noch deutlich sichtbar, und auch für das Modell M15 übernommen, war das Wappentier der Hohenzollern, dem Herrschergeschlecht des Deutschen Kaiserreichs. Auf der Vorderseite prangt der nach rechts schauende Adler mit Krone, Reichsapfel und Zepter. Die preußische Devise bzw. der Leitspruch „Mit Gott für König und Vaterland“ läuft quer über den Adler, und umrahmt dreiseitig die beiden Großbuchstaben „FR“. Diese stehen für Fridericus Rex – König Friedrich und beziehen sich auf den ersten König Preußens.
Ins Auge fallen auch die beiden Halterungen für den Leder-Kinnriemen – letzter übrigens genau wie das einfache Lederfutter (bestehend aus 9 „Zungen“), in einem guten Zustand. Jenes Befestigungssystem ist eine genormte Vorrichtung mit dem Namen „Knopf 91“, ausgehend vom Einführungsjahr im Reichsheer 1891. Dabei kann der am Lederriemen mit dreieckiger Aussparung befestigte Bajonettring einfach über den dreieckigen Haken am Helm verbunden werden. Das millionenfach produzierte Verschlusssystem wurde von der Polizei in Deutschland noch bis in die 1970er Jahre genutzt.
Die Geschichte unserer Pickelhaube
Wo unser Objekt des Monats im 1. Weltkrieg im Einsatz war, ist nicht überliefert. Einzige Hinweise liefern zwei Stempel auf der Innenseite des Nackenschirms. Der Regimentsstempel ist verblasst, zu erahnen sind lediglich eine „30“ sowie darunter eine „1916“ (möglicherweise gehörte ein Träger dem 30. Infanterie-Regiment an, was im Jahr 1916 unter anderem bei Verdun eingesetzt war). Der zweite Stempel zeigt ein „B.A.X.“ und die Jahreszahl 1915 oder 16 – leider ist diese nicht mehr genau zu erkennen. Das „B.A.X.“ könnte für Bekleidungsamt X. stehen, was auf das X. Reserve-Korps, einen Großverband mit etwa 40.000 Soldaten, hindeuten würde, der 1916 ebenfalls an der Westfront kämpfte. Danach verliert sich die Spur der symbolträchtigen Pickelhaube, bis sie auf einem Flohmarkt in Portugal erworben wurde, und so in ihre alte Heimat zurückkehrte. Eine großzügige Spenderin überließ diese dann später dem Industriemuseum Elmshorn.
Die Pickelhaube im Industriemuseum Elmshorn
Im Dezember 2023 ist die Pickelhaube nicht nur zum Objekt des Monats gewählt worden, sondern erhielt am 1. Dezember außerdem eine eigene Patin! Anlässlich des 20. Jubiläums des Fördervereins des Industriemuseums am 1. Dezember wurden unter anderem Patenschaften für sechs Objekte versteigert.
Mit einer Patenschaft wird das Museum bei seiner Aufgabe unterstützt, das kulturelle Erbe für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Mit der Übernahme von Patenschaften für Museumsobjekte hat jeder und jede die Möglichkeit, sich auf diese Weise für den Ausbau, die Pflege und den Erhalt der Museumsschätze zu engagieren.
Den Zuschlag für die Pickelhaube bekam die Vizepräsidentin des Landtags von Schleswig-Holstein, Beate Raudies. Ihre Patenschaft ist urkundlich festgehalten, und wird zusammen mit der Pickelhaube M15 demnächst im 1. Obergeschoss des Industriemuseums für interessierte Besucher*innen zu bestaunen sein.
Bildmaterial: Die Pickelhaube M15 – die namensgebende Spitze ist deutlich zu erkennen. (Bildrechte: Industriemuseum)