Mangelbrett
Seit nunmehr genau zwei Jahren stellen wir Ihnen Museumsdinge und ihre Geschichten vor. Im Februar 2011 war es der knuffige Spielzeughase, der mit dem Schaumagazin im Konrad-Struve-Haus ein neues Zuhause bekam. Nun wurde am 24. Februar 2013 auch der zweite Teil des Schaumagazins im Obergeschoss eingeweiht. Es ist also höchste Zeit für das Museumsobjekt des Monats.
Im Grunde ist es nur ein Holzbrett mit Griff – dass hinter diesem Museumsobjekt aber mehr stecken muss, verrät uns schon das prachtvolle Dekor. Das 65 cm lange Brett ist mit farbig bemalter, figürlicher Schnitzerei bedeckt. Besonders auffällig ist der gerundete Griff, der in Form eines barbusigen Meerweibchens (Nixe) mit Fischschwanz gearbeitet ist. Oberhalb des Meerweibchens steht die römische Glücks- und Schicksalsgöttin Fortuna auf einer dunklen, geflügelten Kugel. Mit beiden Händen hält sie ein rotes Tuch fest, das um ihren nackten Köper weht. Leider ist ihr Gesicht im Laufe der Zeit beschädigt und wurde nachträglich aufgemalt. Unterhalb des Griffes ist ein weiblicher Engelskopf mit darunter befindlichen Flügeln zu erkennen. Die geschnitzten Figuren sind von Blüten, Tannenzapfen und einem Schmuckrahmen umfasst.
Bei diesem farbenprächtigen Objekt handelt es sich um ein Mangelbrett. In Kombination mit einem sogenannten Rollholz wurde hiermit Leinenwäsche geglättet. Zum Mangeln wurde die leicht befeuchtete Wäsche zur Schonung in ein weiteres Tuch gehüllt und fest um die Mangelrolle gewickelt. Mit dem Mangelbrett wurde diese Rolle dann mit Druck hin- und hergerollt, wodurch das Wäschestück geglättet wurde. Zum Glätten von Leibwäsche und Wollstoffen dienten die verschiedensten Plätt- oder auch Bügeleisen, die ab dem 15. Jahrhundert belegt sind.
Derartig reich verzierte Mangelbretter wurden allerdings kaum zum Plätten der Wäsche benutzt. Vielmehr handelte es sich bei Ihnen um Liebesgaben und Brautgeschenke. Hergestellt wurden sie entweder von einem Tischler oder aber vom zukünftigen Ehemann, einem Bruder oder dem Vater der Braut.
Liebesgaben stammen aus dem ländlichen Brauchtum zur Verlobung- und Hochzeit. Es handelte sich um Gegenstände mit einem gewissen Symbolwert, die als Beleg und Zeugnis der Vermählung dienten. Der Gabentausch zwischen den zukünftigen Eheleuten galt dabei als rechtlich bindend. Daneben gab es weitere in der Öffentlichkeit stattfindende Bräuche, wie beispielsweise ein Hochzeitsumzug, die für Legitimation und Anerkennung der Ehe in der Dorfgemeinschaft sorgten. In der Stadt wurde diese Funktion oft schon durch amtliche Schriftstücke übernommen.
Bei den Liebesgaben handelte es sich um besonders verzierte Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Üblich waren Löffel, Mangelbretter, Haubenschachteln, aber auch Möbel und Geschirr. Dabei treten bestimmte Motive immer wieder auf: ein symbolisches Ehepaar, Herzen, verschränkte Hände oder das Datum der Hochzeit. Darüber hinaus wurden auch Sinnsprüche oder Gedichte auf die Liebesgaben gemalt, geschnitzt oder gestickt. Nach der Hochzeit bekamen die Liebesgaben einen herausgehobenen Standort im gemeinsamen Heim der Frischvermählten und zeugten so dauerhaft von der Legitimität der Ehe.
Inventarnummer: A-0106
Datierung: Ende des 18. Jahrhunderts
Herkunft: vermutlich Wilster- oder Krempermarsch
Material: Holz
Maße: 16 cm Breite, 65 cm Höhe
Technik: geschnitzt und bemalt