Punkt für Punkt per Tastendruck
In der Reihe der Schreibmaschinen in der Sonderausstellung „Schreiben“ fällt sie sofort auf, die grüne Maschine aus den 1980er Jahren: Sie kommt mit nur sieben Tasten aus. Mühelos und in Sekundenschnelle lassen sich damit sämtliche Punktzeichen der Brailleschrift ins Papier prägen.
Der Franzose Louis Braille (1809-1852), selbst als Kind erblindet, entwickelte diese Punktschrift für Blinde um 1825. Ihre Zeichen können als erhabene Punkte im Papier ertastet werden. Brailles System arbeitet mit sechs Punkten, deren unterschiedliche Kombinationen für Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen stehen.
Als um 1900 die Schreibmaschine ihren Siegeszug in Büros weltweit antrat, entstanden auch die ersten entsprechenden Maschinen für die Brailleschrift. Maßgeblichen Anteil daran hatte der Blindenpädagoge Oskar Picht (1871-1945), der die erste brauchbare Punktschrift-Bogenmaschine in Deutschland entwickelte. Auf diesem Prinzip basiert auch das Objekt des Monats, eine Punktschriftmaschine der blista – der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg. Sie wurde 1916 gegründet, um den vielen Soldaten, die blind oder sehbehindert aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrten, eine Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen. Bis heute ist die blista ein wichtiges Bildungszentrum und produziert darüber hinaus unter anderem auch Punktschriftmaschinen.
Braille-Schrift. Karte der Christoffel-Blindenmission.
Blista-Bogenmaschine
Raphael Hachmann vom Blinden- und Sehbehindertenverein im Kreis Pinneberg kennt diese Maschinen aus eigener Erfahrung: Er hat darauf in der Schule schreiben gelernt. Das Objekt des Monats beschreibt er so: „Die blista-Bogenmaschine hat 6 Tasten zum Schreiben der 6-Braillepunktschrift und eine Leertaste, so wie eine Rückstelltaste. Die Punkte sind wie folgt von links nach rechts angeordnet: Punkt 3, 2, 1, Leertaste, Punkt 4, 5, 6 und Rückstelltaste. Die hier zu sehende Maschine arbeitet nach dem Prinzip der von Oskar Picht 1901 patentierten Punktschriftmaschine mit einem fest stehenden Prägekopf. Der Wagen führt das Blatt, welches um eine Holzwalze gewickelt ist, zeichenweise unter dem Prägekopf hindurch. Die Tasten werden für jedes Zeichen einzeln oder kombiniert gedrückt. Gebaut wurde die Blistamaschine in dieser Form bis 1986. Die ersten ihrer Art hatten zwei Drehknäufe zum Umschalten der Zeile. Die letzten Modelle besaßen einen Zeilenschaltungs- und Wagenrückführhebel, wie beim hier zu sehenden Modell.“
Postkarte von 1915. Wohlfartkarte für erblindete Soldaten des Ersten Weltkrieges. Aus der Sammlung des Industriemuseums Elmshorn.
Tücken der Technik
Dass die Bedienung der Punktschriftmaschinen für Kinder so manche Tücken aufwies, erinnert Raphael Hachmann noch lebhaft: „Ich lernte ab 1978 auf den alten Maschinen ohne Hebel. Für kleine Kinderhände und Arme tückisch, denn bei der Zeilenschaltung und Rückführung des Wagens kam es oft zu Verletzungen der Finger, Arme oder aufgeribbelten Pulloverärmeln. Diese Phänomene traten bei dem hiesigen Modell nicht mehr auf. Leider bekamen wir diese im Alltagsbetrieb nicht mehr zum Gebrauch, da der Maschinenanbieter durch die Blinden- und Sehbehindertenschule Hamburg gewechselt wurde. Nachteilig war die Blistamaschiene auch im Mathematikunterricht. Beim schriftlichen Teilen wurde das Papier wieder hochgedreht und die Punkte drückten zwischen den Walzen platt. Auch heute noch sind viele solcher Punktschriftmaschinen im Einsatz.“
Die blista-Punktschriftmaschine ist im Rahmen der Sonderausstellung „Schreiben – Von der Klosterurkunde zum Chat“ noch bis zum 06.11.2016 im Industriemuseum zu sehen.
Inventarnummer: 2016-0156
Datierung: 1980-1986
Material: Metall, Kunststoff, Holz, Gummi
Maße: B 40 cm, T 30 cm, H 14 cm
Hersteller: blista
Standort: Sonderausstellung, 2. OG, Industriemuseum Elmshorn