Objekt des Monats September 2023 – Puppenherd „Brutzel“
von Hanna Reichwein
Datierung: 1949 -1956
Material: Eisen, Aluminium, Lack
Maße: 20 cm hoch, 18,5 cm breit, 19 cm tief Hersteller: VEB Gaselan Berlin Inventarnummer: 2023-0290
Vorbereitung auf die Rolle der Hausfrau und Mutter
Der Puppenherd „Brutzel“ hat zwei Herdplatten, eine vordere und eine hintere, sowie einen Backofen mit herausnehmbaren Backblech. Auf der rechten Seite befinden sich drei Schalter, mit denen man die beiden Herdplatten und den Backofen jeweils an- und ausschalten kann.
Puppenherde wie dieser waren früher ein beliebtes Spielzeug für Mädchen. Zwischen 1870 und 1940 waren die Kinderherde am weitesten verbreitet, aber auch danach waren sie ein gern gesehenes Geschenk unter dem Weihnachtsbaum. Dabei waren Kinderherde nicht nur reines Spielzeug. Besonders in wohlhabenden Familien waren Kinder, im Gegensatz zu Kindern ärmerer Familien, nicht ohnehin schon an der Hausarbeit beteiligt und sollten durch den Kinderherd an ihre spätere Rolle als Hausfrau und Mutter herangeführt werden. Puppenherde waren also sowohl ein Spielzeug als auch ein Erziehungsmittel zur Vorbereitung auf das spätere Leben.
Ein gefährliches Spielzeug
Der „Brutzel“ hat eine Verpackung aus Pappe, in dessen Deckel sich eine Gebrauchsanleitung befindet. Bei dieser Anleitung fällt sofort auf, dass es kaum Warnhinweise zur Benutzung des Herdes gibt. Der einzige Hinweis, der sich auf den Schutz vor Verbrennungen bezieht, ist der letzte Satz: „Bei der Benutzung des Herdes darf auf keinen Fall der Topflappen vergessen werden“. Heutzutage wäre eine solche Gebrauchsanweisung völlig unvorstellbar, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um eine Anleitung für ein Kinderspielzeug handelt, das sich nur im Maßstab von „richtigen“ Herden unterscheidet.
Normalerweise wurden Puppenherde in denselben Fabriken hergestellt wie richtige Herde. Bei diesem Herd ist das allerdings nicht der Fall, da von der VEB Gaselan Berlin (volkseigener Betrieb in der DDR) nicht bekannt ist, dass sie auch richtige Herde hergestellt hätte. Bekannt ist nur, dass die VEB Gaselan auch Spielzeugdampfmaschinen, ebenfalls voll funktionsfähig, als Pendant zu den Puppenherden hergestellt hat.
Die Geschichte des Puppenherdes
Die Geschichte der Puppenherde geht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Ab den 1850er Jahren gab es große, ca. 120cm breite Puppenküchen mit jeweils drei Holzwänden. Diese Puppenküchen hatten bereits einen Spiritusherd sowie andere, teilweise funktionsfähige Küchengeräte wie ein Rührgerät und einen Brotschneider. Auf diesen Herden war das Kochen allerdings wegen der räumlichen Beschränkung nicht möglich. Etwa zeitgleich wurden deshalb Kinderherde entwickelt, mit denen richtiges Kochen möglich wurde. Diese Puppenherde wurden zunächst mit Kohle, Esbit oder Spiritus befeuert. Schon 1902 wurden die ersten Puppenherde angeboten, die sich an
Stadtgasleitungen anschließen ließen, diese konnten sich jedoch gegenüber den mit Spiritus oder Esbit befeuerten Modellen nicht durchsetzen. Ab 1909 gab es auch elektrische Herde. Diese waren im Vergleich zu den mit Esbit oder Spiritus befeuerten Herden weniger gefährlich, dafür aber auch sehr viel teurer. Außerdem wurden die Feuerherde oftmals innerhalb der Familie vererbt, sodass die elektrischen Herde sich auf dem Markt nicht durchsetzten. Obwohl die elektrischen Herde nicht mehr so gefährlich waren wie Herde mit offenem Feuer, war die Benutzung des Herdes für Kinder immer noch mit einem hohen Verletzungsrisiko und auch mit großer Brandgefahr verbunden, sodass diese Kinderherde seit 1994 wegen einer EU- Richtlinie für Spielzeugsicherheit nicht mehr als Spielzeug gelten.
Heutzutage ist ein Spielzeugherd nach wie vor Bestandteil vieler Kinderzimmer, jedoch spielen Kinder heutzutage meistens mit Nachbildungen aus Holz oder Kunststoff. Diese Herde bringen zwar kein Brand- oder Verletzungsrisiko mit sich, bieten dafür aber auch kein realistisches Koch-Erlebnis.
Möchten Sie den Puppenherd „Brutzel“ einmal im Original betrachten? Er befindet sich in einer Vitrine im ersten Obergeschoss des Industriemuseums Elmshorn.